Streit um 730 000 Euro
ERBE Stadt will „Haus der Familie“ fördern
VON GREGOR RITTER UND WILFRIED MEISEN KSTA 02.09.2014
Kerpen. Gegen die Pläne der Stadt, den Großteil einer ihr vermachten Erbschaft in Höhe von rund 730 000 Euro für das Projekt „Haus der Familie“ im Kolpinghaus aufzuwenden, regt sich Widerstand. Das Geld stammt von dem verstorbenen Kerpener Bürger Richard Eduard Otto Schenk, der in seinem Testament bestimmt hatte, er wolle sein ganzes Vermögen an „arme verhungernde Leute spenden“.
Die Stadtverwaltung will nun den größten Teil des Geldes, 700 000 Euro, in den Umbau des Kolpinghauses an der Kölner Straße zu einem „Haus der Familie“ einfließen lassen, das dann in der zweiten Hälfte 2015 eröffnet werden könnte. Dort sollen soziale Dienste mit dem Schwerpunkt in der Jugendhilfe angesiedelt werden, unter anderem etwa die Familienberatungsstelle der Caritas. So könne „nachhaltige“ Hilfe für notleidende Menschen angeboten werden, heißt es. Auch die Marga- und Walter-Boll-Stiftung will das Projekt finanziell unterstützen. Auf der heutigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, 17 Uhr, soll darüber beraten werden. Aus Sicht des sachkundigen Bürgers Erich Schütz (BBK/Piraten) geht diese Planung am Willen des Erblassers vorbei. „Das Geld solle „in Institutionen verbraten“ werden, kritisiert er. „Selbst die besten Sozialräume erfüllen nicht die direkte Hilfe zugunsten armer und hungernder Menschen unserer Stadt.“ Schütz regt an, die Erbschaft in eine Stiftung für notleidende Kerpener zu überführen.
Auch Grüne und Linke lehnen eine Verwendung der Erbschaft für das „Haus der Familie“ ab: Es würde eher im Sinne des Erblassers verwendet, wenn damit etwa die Verpflegungssituation an Schulen und Kindergärten verbessert würde, meint Grünen-Fraktionsvorsitzender Peter Kunze. „Mit 730 000 Euro kann über einen recht langen Zeitraum sichergestellt werden, dass auch die bedürftigen Kinder regelmäßig gesunde und schmackhafte warme Verpflegung erhalten.“ Von einem Bauprojekt werde „niemand satt“. Ähnlich sieht es auch Thomas Ristow (Linke): Er verweist auf ein „Lobby-Restaurant“ in Köln, wo mittellose Menschen ein preiswertes Menü einnehmen könnten. So etwas sei auch in Kerpen vorstellbar.